... passiert in 7 Wochen herzlich wenig Umwerfendes - und dann wieder soviel in nur sieben Stunden, wie ich es mir beim aus dem Bett hüpfen niemals hatte vorstellen können! Von so einem Tag erzähle ich heute. Vom 4. Oktober 2016.
Weisse Lilie, Sunshine (Sisters Tochter) und ich verbrachten gestern einen ungewöhnlich wertvollen Abend bei uns zuhause. Die beiden haben Gefährte und mich liebevoll bekocht. Während sie dann quietschfidel die Küche aufräumten und ihr herzhaftes Lachen durchs Haus schallen liessen, sass ich bei Gefährte auf dem Sofa und stellte dankbar fest:
"Ist schon sehr kreativ und liebevoll von Gott, wie Er mir auch noch Töchter ins Haus stellt, die es so lebendig machen!" Gefährte war ganz meiner Meinung. Sunshine entschied schliesslich, bei uns zu übernachten und anderntags mit Weisser Lilie und mir zur wöchentlichen Gebetsstunde unserer Kirche mitzukommen. Ja, und dann fingen diese sieben prallvollen Stunden an, von denen ich eingangs berichtete. Auch Sister, meine Freundin von Kenja, stiess dort zu uns.
Nach erfrischender Gebetsstunde kamen wir noch bei einer Tasse Tee mit anderen Gemeindegliedern zusammen. Die übliche, sehr wertvolle Tradition bei uns. Irgendwann fing Sister von einer kürzlichen Begegnung mit zwei rumänischen Brüdern zu erzählen an, die zusammen mit noch einem Bruder und ihrer Mutter vor wenigen Wochen aus Italien in die Schweiz gekommen seien. Wollten Arbeit suchen - was sich als überaus schwierig erwies. So bleibt ihnen nichts anderes als das Betteln übrig, wenn sie irgendwie durchkommen wollen. Und auf der Strasse zuhause zu sein. Sprich: Auf der Strasse schlafen. Irgendwo und irgendwie. Dies wiederum macht ihnen jeweils mit der Polizei Probleme. Da den Rumänen klar ist, dass sie es in Italien doch etwas besser haben, dort die Menschen grosszügiger seien, wenn es darum gehe, Essen zu teilen, planen die beiden älteren Brüder so bald als möglich wieder zurück nach Italien zu reisen. Nur brauchen beide dafür ein Ticket ...
Dies und mehr erzählte Sister betroffen und fragte mich, ob wir ihnen nicht helfen und vielleicht auch für Essen sorgen könnten? Da ich in letzter Zeit gehäuft mit Menschen vom Rande der Gesellschaft zusammentreffe, für verschiedene unterschiedlich viel oder wenig Mitverantwortung trage, wurde mir zuerst fast schwarz vor den Augen, als ich bereits den nächsten Auftrag in der Warteschlange anstehen sah.
"Sister, wir können nicht zur Anlaufstelle Gestrandeter werden, irgendwann überfordert das uns kräftemässig und wirtschaftlich. Ich sehe diese Not, doch ich sehe auch unsere Grenzen."
Sister zeigte Verständnis. Doch dann fiel mein Blick auf weisse Lilie, die am selben Tisch sass und aus Rumänien kommt. "Mensch, wir hätten ja die beste Dolmetscherin bei uns, die wir uns vorstellen können!" Plötzlich erkannte ich, dass die Begegnung mit diesen Brüdern wohl doch ein von Gott vorbereiteter Weg für uns vier war ...
"Okay", sagte ich, "die Tickets nach Italien könnten wir übernehmen. Für Essen sorgen auch. Sag ihnen, wir treffen sie heute Morgen um 10.50 beim Bahnhof!" Sister leuchtete. Weisse Lilie und Sunshine waren sofort einverstanden, ins neue "Abenteuer mit Gott" einzusteigen. Wir erzählten noch kurz ein paar Mitbetern, was bei uns jetzt anstand und baten sie um begleitendes Gebet. Gleichzeitig wurde in mir die Idee geboren, ein neues Bankkonto zu eröffnen, das den Titel trägt: "Strasseneinsätze Chur". Ich kann schlicht nicht alles, was Batzen kostet, von Gefährte erwarten. Und die anderen drei unseres Quartetts investieren im Grunde auch längst mehr für Fremde, als westeuropäisch betrachtet vernünftig wäre ... Ja, wir brauchen auch Menschen, die mithelfen einen "handgreiflichen" Vorrat anzulegen, den wir für Situationen wie heute anzapfen können. Den einen fällt es leicht, auf die Strasse zu gehen und mit randständigen Menschen in Kontakt zu kommen. Andere stützen uns im Gebet, und wieder andere schenken uns vielleicht dann und wann einen Batzen für unseren Dienst? Wer weiss? Das wäre eine echt tolle Zusammenarbeit. Gab die Idee gleich an Anwesende weiter. Dann zogen wir los. Mit einem ausführlichen Gespräch über Hintergrund, Pläne, aktuelle Notsituation starteten wir unsere Begegnung. Weisse Lilie hatte so eine gute Art mit ihren Landsleuten umzugehen. Bald entschied ich, dass nun Zeit, ans leibiche Wohl zu denken, sei. Die jungen Männer hatten noch nichts im Magen an diesem Tag. So sassen wir wenig später alle im Restaurant von "Migros Gäuggeli" und hatten prima Zeit, uns weiter zu unterhalten, während wir uns stärken konnten. Nach dem Essen brachen weisse Lilie und Sunshine zum basalen Kleiderkauf für die beiden Fremdlinge auf. Sister und ich übernahmen das Organisieren von Unterwäsche, Socken und Faserpelzen für sie. Gleichzeitig den Einkauf der Lebensmittel, der grösser ausfiel, als geplant - denn heute Abend, so ist es abgemacht, werde ich die Brüder oder die ganze Familie am Bahnhof abholen. Luden sie zum Nachtessen ein. Darüber hinaus sollen sie nicht wieder auf der Strasse übernachten müssen, wenn bei uns zuhause vier Betten leerstehen. So haben wir es ihnen angeboten und mit ihnen besprochen - was sie kaum fassen konnten.
Bald darauf fuhren wir nach Hause, wo Pooh uns längst erwartete. Weisse Lilie musste bald zur Arbeit fahren. Sister und Sunshine fingen wie selbstverständlich im Haus zu arbeiten an. Betten abziehen, frisch anziehen, das Nötige putzen, waschen ... Ich brauchte keine Aufträge zu erteilen. Es ging alles wie von selbst. Alles mit Freude im Herzen. Schliesslich machten wir uns selbst noch sauber - denn abends wird das Badezimer wohl länger besetzt sein von unseren Fremdlingen. In dieser Zeit werden wir Frauen mit der Zubereitung des Nachtessens beschäftigt sein. Nichts Verrücktes - der Tag war herrlich verrückt genug. Hörnli, Apfelmus, "Zibele-Schweitzi" und Reibkäse. Währschaft genug für Menschen, die seit Wochen ums Essen kämpfen müssen.
Manchmal passiert in 7 Stunden wirklich unfassbar viel! Wie gut, dass ich nicht meinem Verstand den ersten Platz einräumte, als Sister mir morgens von den rumänischen Brüdern erzählte. Gnade, wenn Du, mein Vater im Himmel ihn besetzen kannst. Ja, immer wieder ermutigst Du uns:
LOVE YOUR NEIGHBOUR ...
... so, als wärst Du ihn!
P.S. Bin eben heimgekommen mit den vier Fremdlingen. Einer nach dem andern macht sich im Badezimmer frisch - voller Freude und Dankbarkeit. Unser Heimweg dauerte lange, infolge eines Unfalls auf der Autobahn. So kamen wir nur im Schneckentempo voran. Da meinte der ältere Sohn (21) sehr gelassen: "No matter, when we'll arrive at home. It's better to be saved ..." (Egal, wann wir zuhause ankommen. Es ist besser, gerettet zu sein ...)
Brian Doerksen: Jesus, hope of the nations
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