Fabulieren

Man schrieb das Jahr 1964. Ereignisreich. Ich wurde eingeschult!  Und kaum hatte ich die vielen Buchstaben so einigermassen auf der Reihe, fing auch schon das Dichten an.

 

Wir waren in Winterferien. Der viele Schnee, die Winterlustigen und eine Lawine, die wir runterdonnern hörten, machten mir nachhaltig Eindruck. So erzählt es mir das Tagebuch ... Oh, ich übte früh, dass alles eine Überschrift haben soll. - Sollte jemand nicht wissen, was ein "Manzgögel" ist, hier eine kleine Nachhilfe: Eigentlich schriebe sich das ungefähr so: "Mannsgöggel" - das ist zu Deutsch ganz einfach ein Männchen.

 

 

 

 

Zwei Jahre später - erneut in den Winterferien - hörte und sah sich das dann bereits so an:

 

Allerdings - Überschrift unterschlagen, aber noch immer fein säuberlich auf Linien geschrieben. So richtig zum Schmunzeln, ein halbes Jahrhundert später. 

Heute sind meine Gedichte kurz, lang, witzig, ernst, besinnlich oder heiter. So gemischt, wie das Leben eben. Überschriften auszudenken, liebe ich. Ohne Linien zu schreiben, hab ich bis heute nicht gelernt. Ich brauche Grund und Boden unter den Füssen - oder der Feder. Na ja, heute ersetzen oft Tasten die Feder. Mit der Feder bin ich nach wie vor ganz eng befreundet.

 

Hier ein heiter-witziges Gedicht

 

Die Schlirpelschnecke 

 

Eine Schlu- Schla- Schlirpelschnecke

kriecht ganz langsam um die Hecke,

schlu schla schlirpelt äusserst leise

auf der langen Tagesreise.

 

Freundlich grüsst sie Mutter Spatz

an dem altbekannten Platz,

wo auf Blumen Bienen summen,

und so dicke Käfer brummen.

 

Wo nach jedem wilden Sturm

ans Licht sich reckt ein Regenwurm.

Doch nun will auf leisen Sohlen

sich ein Kater Braten holen…

 

„Lieber Spatz, nun flieg geschwind

in den Himmel mit dem Wind –

Bienen, führt nur fort den Tanz

und stecht den Kater in den Schwanz!“

 

Ja, das rät die Schlirpelschnecke

an der sehr belebten Hecke

rundum mit Zufriedenheit.

Ja, Schlirpelschnecke, du hast Zeit!

 

Bald zieht sie sich zurück ins Haus.

Und schon ist die Geschichte aus. 

 

Katharina Steiner

Manche mögen's lieber ernster:

 

Am Ende der Welt 

 

Mitten aus der Welt der Technik,

Raus aus der so toten Hektik,

find ich mich am Welten-Ende.

Und da füllst Du meine Hände.

 

Ursprünglichkeit – danach sehne ich mich.

Mir jubelt die Seele: „Hier finde ich Dich!“

Wind, Wolken und Wellen, in endlosem Ringen,

Wecken das Herz mir und machen es singen.

 

Hoch oben am Himmel: ein farbiger Tanz!

Der Bund einer Freundschaft, die wahr und so ganz.

Vernimm es, oh, Seele, Der über dir wacht,

hat jeden Tag neu auch deiner gedacht.

 

In Stürmen des Lebens, auf ruhiger See,

weiss Er um dein Freuen und kennt auch dein Weh.

Macht eines aus beidem und webt daraus eben

dein einzig und einmalig kostbares Leben. 

 

W e i t   w e g   von der Welt der Technik

und   e n t w ö h n t   von toter Hektik,

mach ich plötzlich die Erfahrung

reiner, frischer Seelennahrung.

 

Katharina Steiner

 Ein Gedicht in Mundart

 

Husch, husch

 

Guets Mörgeli, min liebe Husch!

Du häsch kei Rueh, deet hinder em Busch.

Tuesch gschäftig s’ wysse Hälsli strecke,

no gschwind am lingge Pfötli schläcke.

 

Jetzt ab di Poscht, en Gump id Höchi!

Das gsehni guet ganz us de Nöchi.

Vo Ascht zu Ascht schwingsch du di gschwind.

Bisch schnäller als en Wirbelwind.

 

I chum nid naa mit mine Auge,

wo eigetli no zimmli tauge.

Jetz lueg au da, dass i nid lach:

Höch obe hüpfsch locker über de Bach!

 

Grad wien en chlyne Akrobat

machsch ide Tanne en Gwaltsspagat!

Husch, husch gahts wyter zumne Ascht –

und deet machsch äntli wieder Rascht.

 

Häsch öppis gfunde, gääl und gross!

Kän Zapfe, kei Nuss. Was isch das bloss?

En Riesepilz! Schynsch Hunger zhaa.

Wo wottsch au mit däm häregah?

 

Das isch es eigenartigs Bild!

Was füehrsch ächt mit däm Pilz im Schild?

Dä settisch besser nid vergrabe,

susch muesch bis Zaabig s’ Loch uusschabe.

 

Wännt spöter zu dim Vorrat wettsch,

willt wieder öppis ässe settsch,

findsch statt em Pilz en chlyne Bolle,

verschrumpflet wien e Dahliechnolle.

 

Wo bisch ächt hy, mit däm goldige Fund?

Jetzt hanis verpasst – nei, du wartisch kei Stund,

bis ich mit Sinniere färtig bi.

So chumi halt morn da wider verby…

 

Katharina Steiner

Das folgende Gedicht begleitete die Ankunftsanzeige unseres ersten Sohnes:

 Irgendwann

 

Irgendwann wirst Du uns fragen:

Wuchs ich auch in Mamas Bauch?

Nein, werden wir ehrlich sagen.

Dennoch, Eltern sind wir auch.

 

Vater, Mutter kann auf Erden -

das vergiss gar nie, mein Schatz -

jeder von uns Menschen werden,

in dessen Herz ein Kind hat Platz.

 

Hätt‘ Mamas Bauch Dir Raum gegeben,

doch unser Herz wär zu für Dich,

wovon könntest Du heut‘ leben?

Nur vom Brot alleine nicht.

 

Liebe ist’s, die Leben spendet.

Liebe, die auch Dich gewollt.

Lieb‘, die Deine Not gewendet.

Liebe, die im Himmel wohnt.

 

Merk‘ auf, sie hat Gestalt gefunden

in dem Retter, Jesus Christ.

Der Leid und Tod hat überwunden

und auch Dein Begleiter ist.

 

Ihm entgegen darfst Du wandern,

der Freud und Sorgen mit Dir teilt.

Und von einem Tag zum andern

klein und grosse Wunden heilt.

 

Deine Mutter