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Jagdzeit - draussen und drinnen

Es ist Jagdzeit hier im Bündnerland. Für manches männliche Geschöpf die wichtigste Zeit im Jahr, die noch an den Ursprung der Menschheitsgeschichte erinnert. Die Zeit der Jäger und Sammler. Gönn ich ihnen von Herzen, Erinnerung auch ganz real ausleben zu können!

 

Wenn die Hochjagd von der Niederjagd abgelöst wird, werde ich es keinen Tag unterlassen, meinen Vierpfotenfreund auf unserem Wackel an der Leine zu behalten. Hat etwa die Grösse eines Hasen … Familie der Kurzohrhasen.

 

Gefährte und ich waren auch auf der Jagd. Ja, wirklich! Allerdings drinnen. Am 28. August erzählte ich davon: „Heute traf vom ERF die bestellte Bilder-DVD zu unserer Reise um Grossbritannien ein. Freue mich riesig, sie in aller Ruhe mit Gefährte zu geniessen!“ – Programm vom letzten Sonntagabend. Danach war ich total bettreif. Der Jagd wegen.

 

Wir jagten keine Rehe, keinen Steinbock, keine Hirsche. Wir jagten Bilder … 94 Minuten lang! Das Jagderlebnis fühlte sich ungefähr so an, als sässe man als Jägerhose in der Waschmaschine. Im Schleudergang bei 1800 Drehungen (oder Bildern) pro Minute ... Mühelos zischte Bild an Bild an uns vorbei, wie Düsenjets. Geniessen, und dann noch in aller RUHE? Blosses Wunschdenken bei diesem Sprinter-Intervall! Wer bis anhin noch ohne ADHS durchs Leben kam, könnte nach diesem Bildertanz bald zu solchen Leidensgenossen zählen.

 

Stets, wenn ich ein Bild ins Visier nahm und landen wollte, war es schon Vergangenheit. Ganz nach dem Motto: Kaum begonnen, schon zerronnen! Bis ich damit zurecht kam, war auch das übernächste Bild bereits ein Klick weit von mir entfernt. Und ich orientierungslos und immer stärker im Jagdfieber. Erfolglos. Dabei dachte ich allen Ernstes, nach der Bilderschau wäre ich endlich auch in Cornwall, Dublin, Belfast und Co. gewesen. Weit gefehlt! Dieser Trip war ja einiges stressiger als die Realität!

 

Okay, wären die Bilder Rehe gewesen, dann Hut ab vor diesen geschickten Tierchen! Kein Jäger hätte auch nur eins erwischt! Auf unserer Jagd aber waren es Bilder, von denen ich keins zu fassen bekam. Fast keins. An ein paar Porträts erinnere mich. Ausser Kopf war ja nix drauf. Kann ich mir merken. Landung gelungen! Auch den Spaniel mit den gewinnenden Augen habe ich bis heute nicht vergessen. Vom grossen Rest blieb rein nix hängen, ausser Chaos im Kopf und Schwindelgefühl. Ja, meine Auffassungsgabe und Speicherkapazität stiessen an extreme Grenzen. Dabei wurden uns – soviel bekam ich mit – lauter wunderschöne Bilder präsentiert, deren Schönheit um Jahrzehnte flüchtiger war als die des Menschen.

 

Schade für die grosse Arbeit des begabten Fotografen. Fotografieren ist die eine, präsentieren die andere Kunst. Schade auch, dass ich noch immer nicht in Cornwall, Dublin, Belfast etc. war.

 

Dublin behalt ich mir für einen Sprachaufenthalt vor. Vielleicht nächstes Jahr. Für drei Wochen. Bin ganz sicher, dass ich danach nie mehr dran zweifeln werde, ob ich je in Dublin gewesen sei …

 

Während des 1 1/2-stündigen Stresstrainings (Test bestanden, Nerven behalten) erinnerte ich mich mehrmals an weise Worte aus dem Buch der Sprüche – wodurch ich schon wieder ein paar Bilder verpasste.

 

„Was man mühelos gewinnt, das zerrinnt; was man aber mit der Hand sammelt, das mehrt sich.“  (Sprüche 13/11; Schlachter Übersetzung 2000)

 

Sammle liebend gerne mit den Händen. Blumen, Federn, Stempel, Bücher ... Auch Bilder, und vertiefe mich in sie hinein. Auch in das meines treuen Kurzohrhasen!

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